Oberstufentheater

Das Oberstufentheater präsentierte "Der Prozess" nach Kafka. Ein 30-jähriger Mann namens Josef K. gerät, obgleich er sich keiner Schuld bewusst ist, in die Mühlen einer Justiz, die schon längst seine gesamte Umgebung durchdrungen hat. Obwohl er sich wehrt, oder vielleicht gerade deshalb, wird er letztendlich unterliegen...

"Der Prozess", geschrieben zwischen 1914 und 1915 und erst nach dem Tode Kafkas erschienen, thematisiert Fragen, die heute mehr denn je Aktualität besitzen wie Anonymität, Selbstentfremdung, die ungenierte Ausspähung und aktenkundige Erfassung des Menschen und die allgemeine Desorientierung angesichts übermächtiger Bürokratie.

Der Protagonist Josef K. lebt in einer Welt, in der er nicht selbstbestimmt ist, sondern zum Spielball anonymer Mächte wird, die hier durch ein undurchschaubares bürokratisches System verkörpert werden. Dieses System durchdringt alles und folgt seinen eigenen Regeln, die Josef K. bis zuletzt unbekannt sind. Er wird gezwungen, ein Spiel mitzuspielen, das nicht sein eigenes ist, und kommt letztendlich zu Tode, ohne die hier geltenden Regeln oder den eigentlichen Grund für die Anklage gegen ihn überhaupt begriffen zu haben.

In der zweistündigen Inszenierung wirkten 28 Schülerinnen und Schüler mit, wobei die vier Männer unter den Schauspielern sich die Rolle von Josef K. teilten, wohl ein Hinweis darauf, dass das dargestellte Schicksal ein universales ist, also jeden treffen kann. Alle anderen Rollen hatten Frauen übernommen.

Die Aktualität des Stückes für die heutige Gesellschaft wurde besonders hevorgehoben. Das karge Bühnenbild zeigte eine Welt, die keine Zuflucht oder Geborgenheit mehr bietet. Die Menschen trugen mitunter uniform wirkende Kleidung der Gegenwart und über Bilder von Guantanamo, die auf den Bühnenhintergrund projiziert wurden, wurden Bezüge zu aktuellen politisch-gesellschaftlichen Missständen geschaffen. Der Betrachter merkte schnell, dass viele Menschen auch heute das erleiden müssen, was Kafka hier beschreibt, und nicht nur in abstrakter Form, sondern ganz wörtlich.

Alles in allem war es eine ernste und nachdenklich stimmende Aufführung von gewohnt hoher schauspielerischer und dramaturgischer Qualität. Wer regelmäßig unsere Theateraufführungen besucht, entdeckte so manche Schauspieler auf der Bühne, deren Talent schon in der Mittelstufe Theaterabende bereichert hat.

Wir danken allen Beteiligten und vor allem auch Herrn Frankenberger für zwei großartige Theaterabende!