Schüleraustausch mit der Slowakischen Republik – Schüler unserer Q-11 in Bratislava

Elf Schüler unserer Q-11 sind am Samstag, dem 21. September 2019, nach einem neuntägigen Aufenthalt in Bratislava, der Hauptstadt der Slowakischen Republik, glücklich in ihre Heimat zurückgekehrt.

Herr Dr. J. Mayer, der Organisator dieses Austausches auf slowakischer Seite, hatte für das Jubiläumsjahr ein besonders abwechslungsreiches Programm zusammengestellt, so dass sich den Gästen aus der Oberpfalz wiederum ein facettenreiches Bild des kulturellen Reichtums der Slowakei bot. Auf deutscher Seite wurde diese Begegnung von Andrea Hofmann und von Martin Weinzierl betreut. Für die großzügige finanzielle Unterstützung sind wir dem Bayerischen Jugendring und dem Pädagogischen Austauschdienst der Kultusministerkonferenz in Bonn zu Dank verpflichtet.

 

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Unser Programm begann am Sonntag mit der Besichtigung des berühmten jüdischen Friedhofs Chatam Sofer am Fuße des Burgbergs. Bei dieser Begräbnisstätte handelt es sich um einen Überrest einer Anlage, die ursprünglich über 6000 Gräber umfasste, wovon jedoch die meisten während des Baues der Straßenbahn in einen anderen Friedhof verlegt wurden. Die verbliebenen Grabstellen gehören allesamt zu Rabbinern, deren Grabesruhe nach jüdischem Glauben nicht gestört werden darf. Unter den dort Bestatteten sind der Großvater väterlicherseits von Karl Marx und der Großvater mütterlicherseits von Heinrich Heine. Das größte und schönste Grab jedoch birgt die sterblichen Überreste von Chatam Schreiber (hebr. Sofer), nach dem dieser Friedhof benannt ist. Chatam Sofer (1762-1839) war die bedeutendste geistliche Autorität der jüdischen Gemeinde in Pressburg. Nicht zuletzt seinetwegen besuchen diese Stätte noch heute jährlich über 4000 Pilger aus aller Welt.

Am folgenden Tag durften wir nach einer Führung durch die Altstadt von Bratislava das slowakische VW-Werk besichtigen. Auf einem Gelände von zwei Quadratkilometern, in dem sich eine große Halle an die nächste reiht, werden aus vorgefertigten Teilen etliche Modelle dieser bekannten Automarke endmontiert. Vor Ort hergestellt werden ausschließlich die Karosserien. Die riesenhafte Presse, mit der die entsprechenden Teile gefertigt werden, arbeitete mit einer solchen Schnelligkeit und Präzision, dass wir darüber nur staunen konnten.

Dennoch betrachteten wir als Höhepunkt dieses Tages erst den Empfang beim zweiten Bürgermeister der Stadt Bratislava, Juraj Káčer, im Primatialpalais. Tief beeindruckt von der 50-jährigen Tradition unseres Austausches äußerte der Bürgermeister den Wunsch, dass alle slowakischen Schulen eine ähnliche Partnerschaft haben sollten. Während der anschließenden Führung durch die Prunkräume dieser ehemals erzbischöflichen Residenz erfuhren wir, dass sich die Gobelins zum Thema „Hero und Leander“ ursprünglich im Eigentum des englischen Königs Charles I. (1600-1649) befanden. Im Spiegelsaal wurde im Jahre 1805 der Pressburger Frieden unterzeichnet, in dem Österreich Tirol und Dalmatien an Frankreich abtreten musste. Die schmerzliche Niederlage für Österreich führte zur Gründung des Rheinbundes und damit zur Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im Jahre 1806.

Wiederum durfte bei dieser Schülerbegegnung ein Ausflug nach Wien nicht fehlen. Bei der Besichtigung der Innenstadt interessierten wir uns vor allem für das weltberühmte Opernhaus. Wir erfuhren, dass mit diesem Gebäude die Bebauung der sog. Ringstraße begonnen wurde, die noch heute durch die Schönheit ihrer Gebäude Touristen aus allen Ländern verzaubert. Umso größer war die Bestürzung, als wir erfuhren, dass die beiden Architekten der Oper, Eduard van der Nüll (1812-1868) und August Sicard von Sicardsburg (1813- 1868) bei der Ausführung des Baues unter so viel Kritik und Häme zu leiden hatten, dass sie daran auch körperlich zerbrachen. Van der Nüll schied aus diesem Grund sogar freiwillig aus dem Leben.

Im Graben, der belebten Einkaufsstraße inmitten der Fußgängerzone, erinnert die Pestsäule aus dem Jahr 1693 nicht nur an das Ende einer schweren Epidemie, sondern auch an den glücklichen Ausgang der Zweiten Türkenbelagerung von 1683 unter Kara Mustafa. Doch ist dieses eindrucksvolle Denkmal nicht nur aus rein religiösen Gründen aufgestellt worden. In ihm manifestiert sich in der Darstellung der Hl. Dreifaltigkeit, die die Säule bekrönt, der Wille, die Überlegenheit des Christentums über den Islam zum Ausdruck zu bringen. Der genannte Aufsatz stammt von dem österreichischen Bildhauer Paul Strudel (1648-1708).

Unsere mehrtägige Exkursion in die Hohe Tatra und in das Siedlungsgebiet der Zipser Sachsen bescherte uns nicht nur Wanderungen durch eine atemberaubend schöne Landschaft; bei der Besichtigung der alten Holzkirche in Kežmarok (Käsmark) wurde uns klar, mit welcher Raffinesse sich die Zipser gegen die Übergriffe der Obrigkeit zur Wehr setzten. Zwar wurde ihnen vom Kaiser, nachdem sie sich der Reformation angeschlossen hatten, der Bau einer evangelischen Kirche zugestanden; doch musste diese komplett aus Holz sein; nicht einmal eiserne Nägel durften sie dabei verwenden. In dieser misslichen Lage wandten sich die Zipser hilfesuchend an Schiffsbaumeister aus dem protestantischen Schweden. Diese konnten trotz der schikanösen Vorgaben einen Kirchenbau errichten, der weit über 1000 Gläubige fasste. Heute steht diese bemerkenswerte Kirche auf der Welterbeliste der Vereinten Nationen.

Im Zusammenhang mit der Besichtigung der Neuen Evangelischen Kirche, die nach den Plänen von Theophil Hansen (1813-1891) errichtet worden war, hörten wir vom tragischen Schicksal der Familie Thököly aus Kežmarok. Graf Emmerich Thököly (1657-1705) musste nach einem gescheiterten Aufstand gegen das Kaiserhaus aus seiner Heimat flüchten, was dem Verlust seiner Herrschaft und seines gesamten Eigentums gleichkam. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts konnte man seinen Leichnam entsprechend seinem letzten Willen in die Heimat überführen. Seit 1909 ruhen seine Gebeine im Anbau der benannten Kirche.

Nach all den schönen Eindrücken und Erlebnissen hatte sich der Tag der Abreise viel zu schnell genähert. Trotzdem hatten wir beim Abschied keine Gelegenheit für Gefühle und Sentimentalität. Denn einer unserer Schüler wollte in einer Tasche zwei Flaschen Federweißen (Burčiak) für die Eltern mit nach Hause nehmen. Weil er nicht darüber informiert war, dass man einen gärenden Wein nicht vollständig verschließen darf, konnte er nicht verhindern, dass eine der Flaschen in der Halle des Hauptbahnhofs kurz vor der Abfahrt explodierte, wobei der laute Knall alle Anwesenden aufschreckte. Damit wir uns nicht dem Verdacht aussetzten, einen terroristischen Anschlag verübt zu haben, machten wir uns eiligst davon. Später haben wir diesen kleinen Zwischenfall lachend als fulminanten Schlusspunkt eines schulischen Jubiläums betrachtet, der mit großer Freude, mit viel Herzlichkeit und mit einem wachen Gespür für Zusammengehörigkeit und Verständigung würdevoll begangen worden ist.

Doviđenja - auf Wiedersehen!

M. Weinzierl