„Woyzeck, er sieht immer so verhetzt aus“
Was der Hauptmann in Büchners Dramenfragment als eine, wenn nicht die hervorstechende Eigenschaft seines Untergebenen wahrnimmt, bildet, auf die Spitze getrieben, die Ausgangsidee für die Inszenierung am Nürnberger Staatstheater, die kürzlich von 40 Schülerinnen und Schülern der Oberstufe besucht wurde:
Die gequälte Kreatur, von nahezu seiner ganzen Umgebung gedemütigt, den Blicken schutzlos preisgegeben und deshalb permanent von Unrast getrieben, in der Hoffnung, den Angriffen keine Möglichkeit zu geben, sich bei ihm einzunisten und sie gleichsam im Lauf abstreifen zu können.
Foto: Marion Bührle, hier verwendet mit der freundlichen Erlaubnis des Staatstheaters Nürnberg
Scheitern muss der deshalb eine Stunde lang im Kreis laufende Woyzeck aber an der schieren zahlenmäßigen Übermacht derer, die ihre „beautiful world“ nicht von einem störenden und von der Norm abweichenden Vertreter der „Spezies“ Mensch hierarchisch durchschütteln lassen wollen. Da auch alle echten oder vermeintlichen Trostspender ihre Verantwortung nicht sehen oder selbst die Opferrolle dankend an jemand noch weiter unten weitergeben, helfen weder die Geliebte noch der letzte verbliebene Freund oder die Zufluchtsorte der Kindheit, an denen das Wünschen noch geholfen hat. Im Gegenteil wird bei Büchner das Sterntaler-Märchen zu einer gespenstischen, von vollkommenem Nihilismus getränkten Apokalypse - in der Nürnberger Aufführung klug an den Schluss des beeindruckenden Abends gestellt.
Draußen vor dem Theater eine eisige Winternacht.
„Wenn man kalt is, so friert man nicht mehr.“
Markus Brandl