9-te Klassen besuchen Synagoge
„Das Verhältnis von Christen und Juden war wunderbar. Man brachte sich größte Achtung entgegen, und überall rief schon von weitem alt und jung einen Gruß uns zu.“
(Charlotte Stein-Pick: Meine verlorene Heimat. Bamberg 1992, 111.)
Die Eindrücke einer jüdischen Bürgerin Sulzbachs aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts rufen den Zivilisationsbruch ins Gedächtnis, der auch diesem toleranten Miteinander einige Jahre später den Garaus machen sollte. Die jüdische Gemeinde Sulzbach hatte bereits 1930 mit dem Tod des letzten Vorstehers aufgehört zu existieren. Aus dieser Zeit konnte zumindest die Synagoge erhalten werden, die nach mehreren Umwidmungen (u.a. diente sie als „Heimatmuseum“ und als Wohnhaus bzw. Depot) von der Stadt Sulzbach-Rosenberg gekauft worden ist und nach einer überaus gelungenen Sanierung jetzt als Erinnerungs- und Begegnungsstätte dient. Unter ihrer rührigen Leitung wird seither ein beachtliches Kulturprogramm auf die Beine gestellt; die an der jüdischen Religion und Kultur interessierten Besucher erwartet dazu ein modernes didaktisches Angebot mit Touchscreens, Hörstationen und diversen Vitrinen mit Exponaten u.a. zum kultischen Leben einer jüdischen Gemeinde.
Grund genug für die Klassen der 9. Jahrgangsstufe dieser religiösen Spur zu folgen und die Sulzbacher Synagoge als Lernort aufzusuchen.
Über 70 Schülerinnen und Schüler arbeiteten, begleitet von ihren Lehrkräften Martin Weinzierl, Pfr. Dr. André Fischer, Katrin Kraus und Markus Brandl, in Kleingruppen aufgeteilt, zu den Themengebieten „Kultgegenstände“, „Synagoge – mehr als ein Gebetshaus“, „Jüdischer Kalender“, „Geschichte der Juden in Bayern“ u.a.m. Die Geschichte der örtlichen Gemeinde wurde dabei integriert.
Der andere Teil der Gruppe besichtigte in der Zwischenzeit den außerhalb der Stadt liegenden jüdischen Friedhof. Dabei ging Stadtarchivar Johannes Hartmann auf dessen Historie ebenso ein wie auf die Symbolsprache auf den Grabsteinen, die teilweise hebräische Inschriften tragen, mit zunehmender Assimilation der Juden dann jedoch mehr und mehr mit deutschen Texten gestaltet worden sind.
Im Gegensatz zu den meisten christlichen Gräbern, die nach einer bestimmten Liegezeit der Verstorbenen „aufgelöst“ werden, ruhen nach jüdischem Verständnis die Toten dort bis zum Jüngsten Tag.
Im Anschluss daran erfolgte der Wechsel der Gruppen und im Unterricht die Auswertung der eigenen Aufzeichnungen.
In Deutschland ist gegen alle Erwartungen jüdisches Leben zurückgekehrt, viele Gemeinden erfreuen sich wieder einer stabilen Mitgliederzahl. In der Nachbarstadt Amberg ist seit einiger Zeit sogar ein Rabbiner tätig. Sulzbachs jüdisches Leben wird wohl trotzdem museal bleiben, kann dafür aber mit einer mustergültigen Präsentation der eigenen liberalen Tradition aufwarten.
Markus Brandl